Nie wieder! Irma Trksak, Antifaschistin bis zum letzten Atemzug

Zum Songdownload (gratis oder Spende): https://lautfragen.bandcamp.com 

„Weißt du, wie wichtig Singen war? Nie hätt’ ich das missen wollen. Ich glaube nicht, dass ich sonst alles so überstanden hätte. Ich nicht. Und die anderen auch nicht. Das Ausdrücken deiner Gefühle war so eine Hilfe. Du legst ja Trauer, Schmerz oder Liebe in das, was du liest oder singst. Mit anderen zu singen war wie etwas Schönes schaffen. So ein Tupferl Glück im großen Meer des Grausamen.“ (Irma Trksak, 2007)

Irma Trksak wurde am 2.10.1917 in Wien als zweites von vier Kindern in eine slowakische Einwandererfamilie geboren.
Der Vater, Stephan Trksak, war überzeugter Kriegsgegner und engagierte sich nach Kriegsende als Sozialdemokrat bei der Gewerkschaft der Metallarbeiter.                             

Irma Trksak besuchte die tschechische Volksschule in der Karajangasse (1938 war hier ein Gestapogefängnis, in dem Häftlinge bis zu ihrem Transport nach Dachau zu Hunderten in den Klassenräumen eingepfercht waren – unter ihnen Dr. Bruno Kreisky und Fritz Grünbaum. Heute befindet sich im Keller der Schule eine Gedenkstätte). Nach der Matura am tschechischen Comensky-Realgymnasium machte sie in Prag eine Ausbildung zur Lehrerin und unterrichtete anschließend in Wien.

Schon 1934, mit Beginn des austrofaschistischen Regimes, lernte sie als 16jährige die Illegalität kennen, nachdem sämtliche sozialdemokratischen Vereine, auch ihr Turnverein, verboten wurden.

Empört über die Brutalität der Nazis gegen Minderheiten wurde Irma Trksak zusammen mit ihrem Bruder Jan, ihrem Freund Ludwig Stêpánik, ihren Kolleg*innen aus dem Turnverein Alois und Marie Houdek, Antonia Bruha u.a. in einer Widerstandsgruppe aktiv, die z.B. Brand- und Sprengstoffanschläge gegen Wehrmachtseinrichtungen verübte: „Wir haben in der Lobau und Schwechat Strohtristen und Getreidespeicher, die Militärgut waren, angezündet. Unter anderem haben wir auch einen Lagerplatz in Groß Enzersdorf niedergebrannt. […] Die Idee Houdeks war es, uns zu diesen Aktionen immer als Liebespaar loszuschicken… Wir fuhren mit der Straßenbahn – als Liebespaar getarnt – ins Grüne, und während wir einander küssten, versuchten wir den Zündapparat zu installieren. Wenn es nicht so ein ernstes Unterfangen gewesen wäre, hätten wir manchmal vor Lachen nicht agieren können, da wir schon einiges schauspielerisches Talent brauchten, um einerseits den Zündkörper heimlich so anzubringen, dass er auch funktionierte, andererseits uns fröhlich und verliebt in die Arme zu sinken. Wir wollten mit diesen Aktionen die Bevölkerung aufmerksam machen und dem Regime zeigen, dass nicht alle in diesem Land mit dieser Regierung einverstanden waren. Aber wir haben niemals Menschenleben gefährdet.“

Irma Trksak beschreibt noch andere Widerstandstätigkeiten: „Wir haben zum Beispiel an die Soldaten geschrieben […]. Das sei nicht ihr Krieg, das sei der Krieg der Nationalsozialisten, die die Völker unterjochen und ausrotten und ganze Länder ausplündern. Auf diese Art haben wir so genannte Kettenbriefe geschrieben und am Ende dieser Briefe die Soldaten dazu aufgefordert, die Briefe weiterzugeben. Wir haben dann später erfahren, dass diese Flugschriften tatsächlich weitergegeben und verbreitet wurden. […] Wir haben uns damals vorgenommen, wo immer es uns möglich wäre, Sand in das Kriegsgetriebe zu streuen, um die Maschinerie aufzuhalten. Wir haben außerdem versucht, Kontakt zu Eisenbahnern zu bekommen, um sie dafür zu gewinnen, die Fahrpläne nicht einzuhalten, damit das Kriegsmaterial nicht so schnell an die Front kommt oder auch die Transporte mit den Deportierten nicht so schnell in den Lagern eintreffen.“
Außerdem fuhr Irma Trksak mehrmals in die Tschechoslowakei, um Verbindung zu Mitgliedern einer tschechoslowakischen Widerstandsgruppe aufzunehmen und gemeinsame Aktionen zu planen.

Erkennungsdienstliche Aufnahme von Irma Trksak, September 1941

Die Gruppe suchte Kontakt zur zentralen Leitung der KPÖ und geriet dabei an den Gestapospitzel Kurt Koppel (‚Ossi‘). Daraufhin kam es ab September 1941 zu Verhaftungen. 20 Mitglieder wurden am 6. November 1941 im Rahmen einer ‚Sonderbehandlung‘ im KZ Mauthausen erschossen.

Sabotage und Widerstand im KZ

Irma Trksak konnte trotz vieler Monate in Einzelhaft und zahlreicher Demütigungen den zahlreichen Verhören widerstehen und verriet niemanden. Im September 1942 wurde sie schließlich ohne Prozess zusammen mit Antonia Bruha und 12 weiteren Frauen aus der Widerstandsgruppe in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück deportiert, wo sie anfangs zum politischen Block von Rosa Jochmann kam und im Siemenslager Zwangsarbeit leisten musste. Irma Trksak berichtet von Sabotageaktionen: „Die Russinnen haben Knoblauch mitgebracht. […] Sie haben die Finger damit eingerieben und dann diese empfindlichen Teile berührt. Die sind angelaufen und waren unbrauchbar. Oder sie haben diese kostbaren Federn genommen und ins Klo geworfen, das hat die Produktion verzögert. Über diese Sabotagen hat man mit niemandem geredet.“

Als Schreiberin fälschte Irma Trksak Statistiken über die Arbeitsleistung der Häftlinge, um diejenigen zu schützten, die das Arbeitssoll nicht erbringen konnten. Weil sie als Stubenälteste politische Aktivitäten und politische Diskussionen duldete, wurde sie 1945 in das benachbarte Lager Uckermark strafversetzt und entkam nur knapp der dortigen Vernichtungsmaschinerie.

Am 29. April 1945 gelang ihr zusammen mit vier Freundinnen die Flucht vom letzten sogenannten Evakuierungsmarsch.

Zurück in Wien

Neben ihrer Berufstätigkeit und ihrem Dasein als Alleinerzieherin engagierte sich Irma Trksak intensiv in der Österreichischen Lagergemeinschaft Ravensbrück, die offiziell am 24. Mai 1947 begründet wurde: „Jeder von uns war mit seinen Erinnerungen allein. Lange konnten wir mit niemandem über unsere Erlebnisse im Gefängnis und Konzentrationslager sprechen. Ich wollte niemanden belasten mit den Schrecknissen, die hinter mir lagen. Oft holten mich aber die Bilder der Gewalt, des Sterbens, der Unmenschlichkeit ein, verfolgten mich in Träumen und Todesangst steckte tief in mir. Es ging vielen so und eines Tages beschlossen wir Frauen, eine Gemeinschaft zu gründen… Wir wollten gegen Faschismus, Nazismus, Neofaschismus sowie gegen Unterdrückung von Menschen und Demokratie kämpfen. Wir wollten für Unabhängigkeit, Freiheit, Demokratie und Neutralität eintreten und so kam es zu der Gründung der Lagergemeinschaft Ravensbrück.“

1947 war sie Zeugin in den Hamburger Ravensbrück-Prozessen.
Am 11. Juli 2017 verstarb Irma Trksak in ihrem 100. Lebensjahr.

Bei den Gedenkfeiern in Ravensbrück wird jedes Jahr ihre Forderung „Wir wollen nicht nur gedenken, sondern auch mahnen!“ von Aktivistinnen bekräftigt.

Irma Trksak (Foto: Marion Framke)