Was man Leben nannte. Antonia Bruhas Leben für den Widerstand

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„Viele Gedichte habe ich mir in meiner Lagerzeit ausgedacht. Keine wertvollen Dichtungen, nur meine Gedanken über jeweils Erlebtes, in schlaflosen Nächten Zusammengereimtes. Sätze, die mich gegen die Grausamkeit, die um mich wütete, abschirmen sollten. Ich habe sie dann auf zerknüllte Papierfetzen, die der SS-Arzt in den Papierkorb warf, geschrieben und an einem versteckten Ort aufbewahrt. Alle diese Zettel gingen mir verloren, nur einige Gedichte habe ich im Gedächtnis behalten und sie nach unserer Befreiung aufgeschrieben – ohne zu wissen, ob sie jemals jemand lesen würde.“ (Antonia Bruha)

Antonia Bruha wurde am 1. März 1915 in Wien geboren. Da ihre Mutter aus Südböhmen stammte, besuchte sie eine tschechische Schule. Schon früh schloss sie sich sozialdemokratischen Kreisen an und war mit ihrem Mann bereits während des Austrofaschismus im Widerstand aktiv. Sie schrieb für die tschechische Arbeiterpresse Kurzgeschichten, Gedichte und Artikel und schmuggelte die »Arbeiter-Zeitung« von Brünn über die Grenze.

1938 schloss sie sich gemeinsam mit ihrem Mann einer überparteilich geführten Widerstandsgruppe der Wiener TschechInnen an und verfasste und verteilte Flugblätter über die Bedrohung durch die nationalsozialistische Diktatur.

Sie beteiligte sich an Sabotageaktionen und Brandanschlägen auf Wehrmachtseinrichtungen und und hielt als Kurierin den Kontakt mit dem tschechischen Widerstand aufrecht.

1941 wurde Antonia Bruha verhaftet. Sie wurde geschlagen und mißhandelt, ihre drei Monate alte Tochter wurde ihr weggenommen und als Druckmittel verwendet. Nach einem Jahr Gefangenschaft im Polizeigefangenenhaus Rossauer Lände und im Bezirksgefängnis Schiffamtsgasse, viele Monate davon in Einzelhaft, wurde sie im September 1942 in das Frauen-KZ Ravensbrück deportiert.

Antonia Bruha

 

Widerstand im KZ Ravensbrück

Auch in Ravensbrück leistete Antonia Bruha zusammen mit anderen inhaftierten Frauen Widerstand und versuchte Leben zu retten, wo sie konnte. Anfangs musste sie Transportwagen schieben und in der Schneiderei arbeiten, bald hatte sie jedoch als Revierläuferin eine wichtige Position inne, die sie für ihr Engagement im illegalen internationalen Lagerkomitee nützte. Bruha war etwa an der Rettungsaktion von Toni Lehr, Gerti Schindel und Edith Wexberg beteiligt: Die drei für die Hinrichtung vorgesehenen Häftlinge wurden von Mithäftlingen monatelang versteckt. Eine Häftlingsärztin operierte zweien von ihnen die in Auschwitz-Birkenau eintätowierte Nummer heraus. So konnten sie als Französinnen getarnt mit dem Schwedischen Roten Kreuz aus dem Lager geschmuggelt werden. Am 28. April 1945 gelang Antonia Bruha die Flucht vom Evakuierungsmarsch.

Zwangsarbeiterinnen im KZ Ravensbrück

 

Gegen das Vergessen

Nach 1945 trat Antonia Bruha der KPÖ bei und widmete sich der antifaschistischen Aufklärung. 1947 gründete sie zusammen mit anderen die Österreichische Lagergemeinschaft Ravensbrück, wo ab 1980 eine Dokumentensammlung zum KZ Ravensbrück aufgebaut wurde, die sie im Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes in 30-jähriger ehrenamtlicher Arbeit betreute.

Seit den 1960ern trat Antonia Bruha auch als Zeitzeugin in Schulen auf, schrieb ihre Autobiographie (»Ich war keine Heldin«) und wurde für ihre Tätigkeit im Widerstand mit etlichen in- und ausländischen Ehrungen ausgezeichnet. Unter anderem erhielt sie 2001 das Goldene Verdienstzeichen der Stadt Wien.

Am 27. Dezember 2006 starb Antonia Bruha und wurde am Zentralfriedhof in Wien bestattet.

Antonia Bruha