Staub von Städten. Widerstand im Exil

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„In der Emigration gab es keinen windstillen Winkel; das Exil erlaubte keine weltabgewandte Haltung, es stellte den Vertriebenen immer wieder vor praktische Aufgaben, es führte ihn immer wieder dazu, den Anschluß an Schicksalsgefährten zu suchen.“ (Franz Carl Weiskopf)

Flucht

Bereits 1934 nach dem Aufstand gegen den Austrofaschismus flohen hunderte in die Tschechoslowakei, Schweiz und Sowjetunion sowie nach Frankreich und Belgien.

Der bereits mit dem ‚Anschluss‘ am 11. März 1938 einsetzende Terror der Nazis gegen die jüdische Bevölkerung löste eine Massenflucht aus. Bis zum Mai 1939 verließen etwa 100.000 Menschen unter schwierigsten Bedingungen, wie z.B. bürokratische Schikanen, Enteignungen etc., das Land. Es war sehr schwierig, ein Asylland zu finden, da die meisten Länder trotz einer im Sommer 1938 in Frankreich abgehaltenen internationalen Flüchtlingskonferenz an ihrer restriktiven Flüchtlingspolitik festhielten bzw. diese noch verschärften.

Neben den österreichischen Juden und Jüdinnen ergriffen auch vom NS-Regime verfolgte kommunistische, sozialdemokratische, christlichsoziale und monarchistische Aktivist*innen die Flucht.

Viele der Emigranten schlossen sich im Exil zu Organisationen zusammen, deren Ziel es war, die Weltöffentlichkeit über die Verbrechen des NS-Regimes aufzuklären und die Verbindungen zum Widerstand in den Herkunftsländern aufrechtzuerhalten.

Widerstand

Paris wurde bis zum Angriff durch Nazi-Deutschland 1940 zum Zentrum der österreichischen politischen Exilgruppen. Nach der deutschen Okkupation Frankreichs und Belgiens schlossen sich ca. 200 Österreicher*ìnnen der dortigen Résistance an.

Österreichische Partisan*innenkompanie in der belgischen Widerstandsbewegung.

Irma Schwager war eine von ihnen. Sie kam nach ihrer Flucht aus Wien über Belgien ins besetzte Frankreich zur TA (Travail-Anti-Allemand):

„Mit falschen Papieren als Elsässerinnen getarnt, […] hatten wir, aufgrund unserer Sprachkenntnisse, die Aufgabe, mündliche und schriftliche Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit unter den Besatzungssoldaten zu leisten, […] d.h. wir versuchten sie von der Sinnlosigkeit des Krieges und vom wahren Charakter des Nationalsozialismus zu überzeugen. Wenn möglich, gaben wir ihnen Flugblätter und gewannen sie als Mitkämpfer. […] Es war keine leichte Sache. […] Anfangs waren die meisten Soldaten, die wir trafen, noch vom Endsieg der Deutschen überzeugt. Wir erlebten die tiefen Spuren, die die Nazipropaganda bei den Soldaten hinterlassen hatten. Viele glaubten an die Naziphrasen von der ‚neuen Ordnung‘, die sie dem ‚dekadenten‘ Europa bringen wollten. Rassismus, Antisemitismus und Herrenmenschentum waren tief verwurzelt. […] Wenn es uns gelang, diese Männer zum Nachdenken darüber zu bringen, daß die sauberste Straße, die gebügelte Hose und die schönste Frisur nichts wert sind, solange man nichts empfindet, wenn ein Mensch gedemütigt, verfolgt und erschossen wird, dann war das schon ein Erfolg. […] Die Gefahr dieser Tätigkeit war groß. Die Deutschen haben geglaubt, daß wir eine sehr große Organisation sein müssen, weil die Flugblätter an den verschiedensten Stellen aufgetaucht sind. […] Wir haben sie über die Kasernenmauern geworfen, auf Parkbänke gelegt, in Kinos liegengelassen und auf Alleebäume geheftet. […] Der Wirkungsgrad unserer Widerstandstätigkeit ist kaum quantifizierbar. Er hat aber dazu beigetragen, manchem die Augen zu öffnen, antifaschistisches Bewußtsein zu bilden und Widerstand zu fördern.“

Später Irma Schwager wurde nach Belgien geschickt und baute mit Österreicher*innen aller politischen Schattierungen in Brüssel die Österreichische Freiheitsfront (ÖFF) auf. Ab Anfang 1944 wurden bewaffnete Partisanengruppen gebildet, die Attentate auf deutsche Munitionstransporter, Autos und Militäreinrichtungen verübten. Weiters wurden in der Nähe von Kasernen Parolen auf Hauswände gemalt, z.B.: ”Genug krepiert, genug marschiert und endlich mal nachhaus marschiert“.

In den Armeen Großbritanniens, Frankreichs, der USA, der Sowjetunion und in der Fremdenlegion kämpften tausende österreichische Flüchtlinge. Allein zum britischen Kriegsdienst meldeten sich mehr als 3.500 Österreicher.

Die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky, die von Istanbul aus Kontakt zu anderen außerösterreichischen, kommunistischen Widerstandsgruppen aufgenommen hatte, kehrte 1940 aus dem sicheren Ausland nach Wien zurück, um sich am Widerstand zu beteiligen. Ihre Aufgabe, den Leiter der neugegründeten KPÖ-Untergrundorganisation außer Landes zu schaffen, gelang nicht. Sie wurde, verraten vom eingeschleusten Gestapospitzel ‚Ossi‘ (Kurt Koppel), gefangen genommen, zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt und in das Frauengefängnis Aichach in Bayern gebracht, wo sie 1945 die Befreiung erlebte.

Über Anna Krommer

Die Urheberin des Gedichtes »Staub von Städten«, Anna Krommer, geboren am 31. März 1924 in Dolný Kubín (Tschechoslowakei), floh 1933 mit ihrer Familie nach Großbritannien. Von 1946 bis 1947 arbeitete sie als Briefzensorin für die US-amerikanische Militärbehörde in Offenbach. 1948 reiste sie nach Israel, seit September 1952 lebt sie in den Vereinigten Staaten. Sie veröffentlichte zahlreiche Gedichte, Erinnerungen, Reiseberichte und Essays.
Der von uns vertonte Text findet sich im Buch Staub von Städten. Ausgewählte Gedichte. Theodor Kramer Gesellschaft. Wien 1995.

Anna Krommer mit ihrem Vater