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Der Autor des Gedichtes „6434“, (Johann) Hans Schlesinger, geboren am 20. Februar 1896 in Wien, wurde im September 1938 nach Buchenwald deportiert, wo er bis Juli 1942 unter der Häftlingsnummer 6434 blieb.
In Buchenwald musste er in verschiedenen Bereichen arbeiten und war zuletzt in der Strumpfstopferei, dem Arbeitskommando für ältere oder körperlich versehrte Männer. Dann brachte ihn die SS im Juli 1942 mit einem „Invalidentransport“ nach Dachau. Dieser galt bei den Häftlingen nicht ohne Grund als „Himmelfahrtstransport“. Viele aus dem Transport wurden als Arbeitsunfähige unter dem Begriff „Sonderbehandlung 14f13“ in Hartheim ermordet.
Der Text 6434 stammt aus dem Gedichtband: „Ich hasse nicht: Dichtungen aus Buchenwald“, den Hans Schlesinger im Oktober 1945 unter dem Namen Gösta Durchham herausbrachte. Die Kulturinitiative Klopfzeichen hat 2001 eine Neuauflage verlegt und uns freundlicherweise die Vertonung erlaubt.
Am Anfang des Bandes schreibt Gösta Durchham: „Erläuterungen: vorliegende Gedichte entstanden in den Jahren 1939 bis 1942 im Lager Buchenwald. Sie wurden von mir meist auf Zetteln notiert und dann später in ein Heftchen eingetragen. Die Eintragungen erfolgten auf die Weise, dass einzelne Strophen und Verszeilen auf versch. Seiten, unzusammenhängend, durcheinander aufgeschrieben wurden, um so eine eventuelle, unvermutete Kontrolle irre zu führen.“
Zum Gedicht 6434 macht Gösta Durchham u.a. folgende Bemerkungen:
Kahler Schädel: den Häftlingen wurden bei der Einkleidung Haare und Bart geschoren.
Häufchen Asche: starb ein Häftling, so wurde er im Krematorium des Lagers verbrannt, man nannte dies „über den Rost gehen“
Gefürchtet war der „Bunker„. So hieß das Lagergefängnis, in das Häftlinge als verschärfte Strafe willkürlich, oft auf unbestimmte Zeit eingewiesen werden konnten, meist isoliert, tagsüber stehend, in Dunkelhaft und generell bei Wasser und Brot – die Tortur in den engen Zellen dauerte oft Monate und endete für viele mit dem Tod.
Die Häftlinge erhielten eine fortlaufende Nummer, die sie zu jeder Zeit – auf Deutsch parat haben mussten und unter der sie anstatt mit ihrem Namen fortan im Lager verwaltet und angesprochen wurden. An der Höhe der Nummer ließ sich erkennen, wie lange ein Häftling schon im Lager war. Neben der Nummer gab der „Winkel“ den „Haftgrund“ des Häftlings an. Die Kombination aus Winkel und Häftlingsnummer ermöglichte die schnelle Einschätzung der Position eines Häftlings und damit häufig auch seiner/ihrer Überlebenschancen.
In Auschwitz wurden ab 1943 allen Häftlingen, die keine „Reichsdeutschen“ waren, die Häftlingsnummer auf den linken Unterarm tätowiert, in anderen KZ hatten sie ihre Häftlingsnummer nur auf der Kleidung zu tragen.
Erwin Gostner, ein KZ Häftling aus Tirol beschreibt in seinem Erlebnisbericht „1000 Tage im KZ“ in eindringlichen Worten die Entmenschlichung, die mit der Nummer einherging: „Ich bin jetzt die Nummer 384! Es ist die Nummer eines im Lager verstorbenen Häftlings. Wie viele mögen sie bereits vor ihm getragen haben? Der Häftling Nr.1000 stirbt, bitte, was ist dabei? Eine Nummer wird ausgelöscht, eine Zahl mit drei Nullen. Der Mensch ist selbst eine Null, ein Nichts, unwichtiger noch als die Zahl, denn sie kann weiterleben, morgen schon wird sie ein anderer tragen. Häftling Nr.1000, auf einer Seite durchgestrichen, auf der anderen Seite neu eingetragen, unbekanner Häftling Nr.1000, du zeugst für die Schande, für das unsagbare Grauen, das uns umgibt. Wird dein Schicksal auch meines sein? Werde ich einst so sinnlos verlöschen, wie dieser (….) hier vor meinen Füßen?“
Organisierter Widerstand im KZ Buchenwald
Ab 1939 übernahmen politische Häftlinge wichtige Posten als Funktionshäftlinge, wobei auf internationale Besetzung geachtet wurde, um den Zusammenhalt im Lager zu stärken. Es bildete sich das Internationale Lagerkomitee (ILK) und miltärische Unterorganisationen. Besonders bedrohte Häftlinge wurden im Häftlingskrankenbau versteckt und mit der Identität eines Verstorbenen ausgestattet. Zuverlässige Widerständler konnten in das berüchtigte Lager Dora-Mittelbau eingeschleust werden, um dort gezielte Sabotage an den „Vergeltungswaffen“ V1/V2 zu verüben und Waffenteile herauszuschmuggeln. So verfügten die Widerstandsorganisationen über immer mehr Waffen.
Erich Dlabaja berichtet, dass die SS, die Angst um ihr Leben hatte, durch vorsichtiges Nachhelfen dazu gebracht wurde, einen Sanitäts-Trupp zu schaffen. 16 ausgesuchte Antifaschisten versahen neben Sanitäter-Einsätzen auch illegale Späh- und Verbindungsaufgaben und beschafften Waffen (u.a. von Gefallenen) für den geplanten Aufstand.
Anfang April 1945 kontaktierte die Führung des Internationalen Lagerkomitees die US-Armee, die sich dem Lager näherte, mit einem illegalen Funkgerät. Gleichzeitig wurden die oft tödlichen Evakuierungsmaßnahmen verzögert, um möglichst vielen Häftlingen das Leben zu retten.
Als Frontkämpfe in unmittelbarer Nähe des Lagers begannen und die meisten SSler den Lagerbereich verließen, sammelten sich die Häftlinge auf dem Appellplatz, überwältigten die restlichen Wachen, besetzten und öffneten die Tore, hissten die weiße Fahne, schalteten den Strom im Stacheldrahtzaun ab und verkündeten über Lautsprecher: „Kameraden, wir sind frei!“
Die US Truppen trafen am 11.4.1945 völlig überrascht auf bewaffnete Häftlinge, die den Schutz des befreiten Lagers übernommen hatten und etwa 220 Gefangene übergaben.