Rebellen des Morgen. Die Wandlung des Roman Karl Scholz

 Zum Songdownload (gratis oder Spende): https://lautfragen.bandcamp.com

„Vor meinen Freunden und der Nachwelt bin ich ebenso gerechtfertigt wie vor mir selber. Daran vermag auch die ganze Justizkomödie und alle Versuche, mich moralisch zu erledigen, nichts zu ändern. Gäbe es eine freie Verteidigung, wären andere die Angeklagten, nicht ich […]“ (aus Roman Karl Scholz‘  Kassiber vom 15.2.1944).

Nicht alle Widerstandskämpfer*innen standen dem Nationalsozialismus von Anfang an ablehnend gegenüber. Auch Roman Karl Scholz, wie viele Sudetendeutsche deutschnational gesinnt, wandte sich als Mittelschüler dem Nationalsozialismus zu und trat der damals illegalen NSDAP bei. Sein Weg führte ihn jedoch zur Gründung der ersten österreichischen Widerstandsgruppe, wobei er den „Typus des mitreißenden Jugendführers“ (E. Weinzierl) repräsentierte.

Roman Karl Scholz wurde am 16.Jänner 1912 in Mährisch Schönberg (Šumperk) im heutigen Tschechien geboren. Als unehelicher Sohn wuchs er bei seinen Großeltern in bescheidenen Verhältnissen auf. 1930 trat er in das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg ein und wurde Theologieprofessor. 1936 erhielt Scholz  die Priesterweihe, im selben Jahr besuchte er den Reichsparteitag in Nürnberg – es sollte genau dieser Besuch sein, der ihm die kriegerischen Eroberungspläne und die rücksichtlose Gewaltpolitik des NS-Regimes offenlegte. Scholz wandte sich von Hitlers Gedankengut ab und schon im Herbst 1938 gründete er mit Viktor Reimann (später Gründer der VdU und Journalist) die erste Widerstandsgruppe Österreichs, der hauptsächlich Angehörige des katholisch-konservativen Lagers sowie Schüler von Scholz angehörten. Sie vernetzte sich von Wien ausgehend in Tirol, Nieder-, und Oberösterreich. Scholz schickte laufend Berichte über die Lage in Österreich und die Tätigkeiten des Widerstands nach England. Außerdem hatte die Gruppe Kontakte zu westalliierten Stellen und Widerstandskreisen in der Slowakei und Ungarn.

Ihre Ziele waren Aufklärung über das wahre Gesicht des Nationalsozialismus, der Sturz des Regimes und die Wiedererrichtung des Staates Österreich. Neben dem ‚Exekutivkomitee‘ gab es viele kleine Gruppen zu je 30 Menschen, die, in Dreieruntergruppen gegliedert, ein Netz über ganz Österreich spannten. Anfang 1939 ging die Freiheitsbewegung von reiner Schulung zu Aktionen über. So wurden im Frühjahr 1940 tausende Flugblätter produziert und verbreitet.

Roman Karl Scholz

Hieß die Gruppe anfangs ‚Deutsche Freiheitsbewegung‘, wurde sie ab Juli 1940 in ‚Freiheitsbewegung Österreich‘ umbenannt. Sie kooperierte mit der Widerstandsgruppe ‚Österreichische Freiheitsbewegung‘ vom Finanzbeamten und Juristen Karl Lederer. Diese brachte regelmäßig Flugblätter unter dem Titel »Was nicht im Völkischen Beobachter steht« mit kritischen Nachrichten über Korruption der Nationalsozialisten und über den Fortgang des Krieges heraus.

Als dritte Gruppe kam noch die ‚Großösterreichische Freiheitsbewegung‘ des ehemals hochrangigen Ständestaatsfunktionärs Jacob Kastelic dazu. Im April 1940 einigten sich die drei Gruppen gemeinsam vorzugehen, damit waren schätzungsweise 1.000 Personen involviert.

Verrat und Ende der Bewegung

Dennoch war das Unternehmen nur von kurzer Dauer: Der ins Führungskomitee eingeschleuste Burgschauspieler Otto Hartmann agierte ab 1939 als Spitzel und Agent Provokateur der Gestapo. Er wollte die Gruppe zu Aktionen anstiften (Säureattentate, Sprengstoffanschläge, u.a. auf die Gestapozentrale am Morzinplatz oder den Linzer Rundfunksender). Auch Gestapostellen selbst waren an diesen gefakten Plänen beteiligt.

Hedwig Leitner, Mitglied der Scholz-Gruppe erinnert sich wie folgt: „So ist das bei einer Widerstandsbewegung, dass man nur drei kennt, für den Fall, dass, wenn man gefangen genommen wird, nicht gleich die ganze Gruppe hopp genommen wird. Aber da gab ’s einen, diesen Schauspieler Hartmann, der hat sonderbarerweise eine Liste aller Mitglieder gehabt. […] und der hat alle Namen angegeben. Dadurch sind wir alle fast zur gleichen Zeit…hopp, hopp, hopp verhaftet worden und auf die Gestapo gekommen, am Morzinplatz. Und dann ist es also mit Verhören losgegangen. […]
Ja, wir haben uns das alles anders vorgestellt. […] Wir haben ja weder Waffen noch sonst was zur Verfügung gehabt. Nix! Und auch nicht die Erfahrung, die die Kommunisten gehabt haben. Die Kommunisten haben immer schon Erfahrung gehabt im Untergrundkampf, und sie waren ja sehr stark vertreten. Also die Kommunisten haben sie ja fürchterlich verfolgt, die waren sehr anständig, muss ich sagen.“

Insgesamt wurden 143 Widerstandskämpfer*innen im Zeitraum Juli bis September 1940 aus allen drei Gruppen festgenommen. Weitere etwa 320 Verdächtige wurden einvernommen und nur deshalb nicht festgenommen, weil es keinen Platz mehr in den Gefängnissen gab.

Roman Karl Scholz

Roman Karl Scholz war zunächst im Gestapo-Hauptquartier am Morzinplatz und danach fast vier Jahre in verschiedenen deutschen Gefängnissen inhaftiert. Der Prozess gegen die Beteiligten der drei Widerstandsgruppen wurde auf Anordnung Hitlers erst am 3. März 1944 am Volksgerichtshof in Wien durchgeführt. Das Ergebnis: elf Todesurteile, neun wurden vollstreckt. Alle Versuche, eine Begnadigung zu erreichen, scheiterten.

Am 10. Mai 1944 fand die Enthauptung mit dem Fallbeil statt. Sein Leichnam wurde nach Kriegsende 1945 am Anatomischen  Institut der Universität Wien gefunden und auf dem Heiligenstädter Friedhof beigesetzt.

Scholz als Schriftsteller

Im Gefängnis verfasste Scholz zahlreiche Gedichte (aber auch Dramen und Prosa), die ebenso authentische Dokumente einer grausamen Zeit als auch eigenwillige künstlerische Schöpfungen sind. Sie bewegen sich zwischen der quälenden Situation in jahrelanger Haft, dem Streben, dennoch Schönheit zu schaffen und seiner Zeugenschaft für Glauben und Freiheit. Außerdem entwickelte er die politische Utopie eines ‚Syndikalismus‘.

Für den Text dieses Liedes haben wir gleich sechs seiner Werke collagiert: »Nacht (Eine von vielen)«, »Stimmung“, »Zum Abschied«, »Rebellen des Morgen«, »Das Leben geht weiter…« und »Summa Vitae«.

Roman Karl Scholz